Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Gaben und Opfer darbringe für die Sünden“ (Hebr 5, 1). Hieraus schließen sie: Da es
im Neuen Testament Hohepriester und Priester gibt, [365] folgt daraus, daß es auch
ein Opfer für die Sünden gibt. – Diese Stelle bewegt vor allem die Ungebildeten,
zumal wenn sich ihren Augen jener Prunk des Priestertums und der Opfer des Alten
Testaments aufdrängt. Diese Ähnlichkeit täuscht Unerfahrene, so daß sie meinen, es
müsse auch bei uns in der gleichen Weise ein Zeremonialopfer geben, das für die
Sünden anderer anzuwenden sei, wie im Alten Testament. Und nichts anderes ist
jener Kult der Messen und das übrige Regiment des Papstes, als
die schlechte Nach-
ahmung der mißverstandenen levitischen Verfassung.
Und obwohl unsere Lehre ihre Hauptbelege im Hebräerbrief hat, verdrehen die
Gegner dennoch verstümmelte Stellen aus jenem Brief gegen uns, wie an jener Stelle,
wo es heißt, ein Hohepriester werde eingesetzt, um Opfer für die Sünden zu brin-
gen (Hebr 5, 1). Die Schrift selbst bezieht dies sofort auf den Hohepriester Christus.
Die vorausgehenden Worte sprechen vom levitischen Priestertum und zeigen, daß das
levitische Hohepriesteramt ein Bild des Hohepriesteramtes Christi gewesen ist
(Hebr 5, 5 f.10). Denn die levitischen Opfer für die Sünden verdienten nicht die Sün-
denvergebung vor Gott; sie waren nur ein Bild des Opfers Christi, das, wie wir oben
gesagt haben, das alleinige Sühnopfer werden sollte. Deshalb befaßt sich der Brief
zum größten Teil damit, daß das alte Hohepriestertum und die alten Opfer nicht dazu
eingesetzt wurden, um vor Gott die Sündenvergebung oder die Versöhnung zu ver-
dienen, sondern nur, um das künftige Opfer des einen Christus anzuzeigen. Denn die
Heiligen im Alten Testament mußten gerechtfertigt werden durch den Glauben, [und
zwar] aufgrund der Verheißung der um Christi willen zu schenkenden Sündenverge-
bung, so wie auch die Heiligen im Neuen Testament gerechtfertigt werden. Alle Hei-
ligen vom Beginn der Welt an mußten glauben, daß das Opfer und die Genugtuung für
die Sünde Christus sein werde, der verheißen worden war, wie Jesaja Kapitel 53 (v. 10)
lehrt: [366] „Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat“ usw.
Da also im Alten Testament die Opfer keine Versöhnung verdienten – es sei denn,
im Sinne einer gewissen Entsprechung: Sie verdienten nämlich eine weltliche
[politische] Versöhnung –, sondern das kommende Opfer anzeigten, so folgt daraus,
daß das Opfer Christi das einzige war, das für die Sünden anderer zugeeignet wurde.
Also bleibt im Neuen Testament kein Opfer übrig, das für die Sünden anderer zu
verwenden ist, außer dem einen Opfer Christi am Kreuz.
[CR 619] In jeder Hinsicht irren die, die vorgeben, die levitischen Opfer hätten vor
Gott Sündenvergebung verdient, und diesem Beispiel entsprechend auch im Neuen
Testament abgesehen vom Tode Christi Opfer fordern, die anderen zuzuwenden wä-
ren. Diese Vorstellung hat das Verdienst des Leidens Christi und die Glaubensge-
rechtigkeit einfach verschüttet. Sie verdirbt auch die Lehre des Alten und des Neuen
Testamentes und macht uns an Christi Statt andere Mittler und Versöhner zu Hohe-
priestern und Opferern, die in den Kirchen täglich ihre Dienstleistung verkaufen.
Wenn daher jemand so argumentiert: Es müsse auch im Neuen Testament einen
Hohepriester geben, der für die Sünden opfert, so ist das nur für Christus zuzugeste-
hen. Und der ganze Hebräerbrief bestätigt diese Lösung. Auch hieße dies ja geradezu,