Die Bekenntnisschriften - page 229

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Zahl der Messen ins Unendliche vermehrt. Denn man kauft Messen, um Gottes Zorn zu
versöhnen, und durch dieses Werk will man Vergebung der Schuld und der Strafe er-
langen, will man erreichen, was immer im ganzen Leben nötig ist, ja will sogar die To-
ten erlösen. [353] Diese pharisäische Meinung haben in der Kirche Mönche und So-
phisten gelehrt.
Obwohl aber die Sache schon entschieden ist, wollen wir doch, weil die Gegner zur
Verteidigung ihrer Irrtümer viele Schriftworte töricht verdrehen, noch weniges zu
diesem Punkt hinzufügen. In der Konfutation haben sie viel vom „Opfer“ geredet,
während wir in unserem Bekenntnis mit Bedacht diesen Begriff seiner Zweideutig-
keit wegen vermieden haben. Wir haben die Sache erläutert [und gesagt,] was die,
deren Mißbräuche wir mißbilligen, jetzt unter einem „Opfer“ verstehen. Damit wir
jetzt die schlimm verdrehten Schriftstellen erklären können, ist es nötig, zu Beginn
darzulegen, was ein Opfer ist. Denn das ganze Jahrzehnt hindurc
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haben die Gegner
fast unzählige Bände über das Opfer herausgegeben, und doch hat keiner von ihnen
bislang eine Definition des Begriffes „Opfer“ vorgelegt. Sie greifen das Wort „Opfer“
nur entweder aus den Heiligen Schriften oder aus den Vätern auf. Dann dichten sie ihre
Träume hinzu, so als bedeute „Opfer“ wirklich das, was ihnen gerade gefällt.
Was ist ein Opfer, und welche Arten von Opfern gibt es?
[Die nötige Unterscheidung von Sakrament und Opfer]
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Sokrates sagt in Platos Dialog „Phaidros“
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, er sei aufs höchste bedacht auf Unter-
scheidungen, weil ohne sie beim Sprechen weder etwas erläutert noch auch verstan-
den werden könne; und wenn er auf jemanden träfe, der sich aufs Unterteilen verste-
he, so sagt er, [354] gehe er ihm nach und folge seinen Spuren wie denen eines Got-
tes. Und er weist den Teilenden an, genau an den Gelenken die Glieder zu trennen,
[CR 611] um nicht nach Art eines schlechten Koches ein beschädigtes Glied zu zer-
brechen. Diese Anweisungen aber verachten die Gegner hochtrabend und sind wirk-
lich nach jenem Wort Platos „schlechte Köche“, die die Glieder des Opfers zerbre-
chen. Auf welche Weise – das wird ersichtlich werden, wenn wir die Arten des Op-
fers behandeln.
Die Theologen pflegen mit Recht das Sakrament und das Opfer zu unterscheiden.
Mag ihre Gattung also entweder die Zeremonie oder das heilige Werk sein: Das Sa-
krament ist eine Zeremonie oder ein Werk, in dem Gott uns das darreicht, was die mit
der Zeremonie verbundene Verheißung anbietet. So ist die Taufe ein Werk, das nicht
wir Gott darbringen, sondern in dem Gott uns tauft, nämlich der Diener anstelle
Gottes. Und hier bietet Gott an und bringt Vergebung der Sünden usw., nach der
Verheißung: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ (Mk 16, 16).
Dem-gegenüber ist das Opfer eine Zeremonie oder ein Werk, das wir Gott darbringen,
um ihm Ehre zu erweisen.
185 Seit der reformatorischen Absage an die Lehre vom „Meßopfer“.
186 Platon, Phaidros, 50.
1...,219,220,221,222,223,224,225,226,227,228 230,231,232,233,234,235,236,237,238,239,...549
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