Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
275
Tod Christi versöhnt ist. Gefordert ist das Trankopfer, d. h. die Wirkung der Predigt,
damit wir, durch das Evangelium mit dem Blut Christi besprengt, geheiligt, [d. h.]
getötet und lebendig gemacht werden. Gefordert werden auch Darbringungen, d. h.
Danksagungen, Bekenntnisse und Anfechtungen.
Wenn so die pharisäische Meinung vom „vollzogenen Werk“ verworfen ist, verste-
hen wir, daß der geistliche Gottesdienst und das immerwährende Opfer des Herzens
gemeint sind, weil im Neuen Testament die Gesamtheit der Güter, d. h. der Heilige
Geist, die Tötung und die Lebendigmachung, zu suchen sind. Daraus wird hinrei-
chend klar, daß das Vorbild vom täglichen Opfer [362] nichts gegen uns ausrichtet,
sondern vielmehr für uns [spricht], weil wir alle im täglichen Opfer bezeichneten
Teile fordern. Die Gegner geben zu Unrecht vor, es werde nur die Zeremonie ange-
zeigt, nicht auch die Predigt des Evangeliums, die Tötung und die Lebendigmachung
des Herzens usw.
Jetzt also können alle guten Männer leicht das Urteil fällen, daß die Anschuldi-
gung, wir schafften das tägliche Opfer ab, völlig falsch ist. Die Sache selbst zeigt, wer
jene Anhänger des Antiochus
sind, die die Herrschaft in der Kirche innehaben,
unter dem Vorwand der Frömmigkeit die Weltherrschaft an sich reißen und unter
Mißachtung aller Sorge um die Religion und Lehre des Evangeliums herrschen, wie
die Könige der Welt Kriege führen [und] neue Kulte in der Kirche eingeführt haben.
Denn die Gegner behalten in der Messe allein die Zeremonie bei und verwenden sie
öffentlich zur frevelhaften Bereicherung. Dann erdichten sie, dieses für andere ver-
wendete Werk verdiene ihnen die Gnade und alle Güter. In den Predigten lehren sie
nicht das Evangelium, trösten nicht die Gewissen, zeigen nicht, daß die Sünden um-
sonst um Christi willen vergeben werden, sondern richten Heiligenkulte auf, mensch-
liche Genugtuungen, menschliche Überlieferungen, durch die, so behaupten sie, die
Menschen vor Gott gerechtfertigt werden. Und obwohl etliches davon offenkundig
gottlos ist, wird es dennoch mit Gewalt verteidigt. Wenn Prediger für besonders gelehrt
gehalten werden wollen, [CR 617] bringen sie philosophische Fragen vor, die weder das
Volk noch sie selbst, die sie vortragen, begreifen. Diejenigen schließlich, die etwas
erträglicher sind, lehren das Gesetz; von der Glaubensgerechtigkeit sagen sie nichts.
[Der wahre Schmuck der Kirche: nicht äußerliche Pracht, sondern Predigt, Sakra-
mentsgebrauch und Gebet]
162
[363] Die Gegner führen in der Konfutation wundersame Trauerspiele auf über die
Verödung der Kirchen, daß nämlich die Altäre schmucklos dastehen ohne Kerzen,
ohne [Heiligen-]Bilder. Diese Narrheiten halten sie für den Schmuck der Kirche. Eine
ganz andere Verödung zeigt Daniel an, nämlich die Unkenntnis des Evangeliums.
Denn das mit der Vielzahl und Verschiedenartigkeit von Überlieferungen und
Meinungen überschüttete Volk hat den Inhalt der christlichen Lehre in keiner Weise
188 Antiochus IV. Epiphanes (176–163 v. Chr.) plünderte den Tempel in Jerusalem und führte dort anstelle des
jüdischen Gottesdienstes den Zeuskult ein.