Die Bekenntnisschriften - page 227

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Art. XXIV:] Von der Messe
[Wahrung von Traditionen und legitimer Gebrauch der Messe bei den Evangelischen]
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Zu Beginn muß wieder vorausgeschickt werden, daß wir die Messe nicht abschaffen,
sondern sie ehrfürchtig beibehalten und verteidigen. Denn bei uns werden an jedem
Sonntag und den übrigen Feiertagen Messen gehalten, bei denen an die, die es emp-
fangen wollen, das Sakrament ausgeteilt wird, nachdem sie verhört und losgespro-
chen worden sind. Es werden auch die gewohnten öffentlichen Zeremonien gehalten:
die Ordnung der Lesungen, der Gebete, der Kleider und andere ähnliche Dinge.
Die Gegner halten eine lange Rede über den Gebrauch der lateinischen Sprache in
der Messe, [350] in der sie lieblich faseln, wie es doch einem unkundigen Hörer von
Nutzen sei, im Glauben der Kirche eine Messe zu hören, auch wenn er sie nicht ver-
steht. Sie geben nämlich vor, das Werk des Zuhörens selbst sei ein Gottesdienst, der
auch ohne Verstehen nütze. Wir wollen das hier nicht gehässig zerpflücken, sondern
überlassen es dem Urteil der Leser. Wir erinnern deshalb daran, um dies beiläufig zu
erwähnen, daß auch bei uns lateinische Lesungen und Gebete gehalten werden.
Weil aber die Zeremonien deshalb gehalten werden sollen, damit die Menschen die
Schrift kennenlernen und damit sie, durch das Wort belehrt, Glauben [und] [Got-
tes]Furcht empfangen und so dann auch beten (denn das ist der Sinn der Zeremoni-
en), behalten wir die lateinische Sprache um derer willen bei, die lateinisch lernen
und verstehen, und fügen deutsche Lieder hinzu, damit auch das Volk etwas hat, was
es lernen und wodurch es den Glauben und die [Gottes-]Furcht erwecken kann. Die-
sen Brauch hat es immer in den Kirchen gegeben. Denn auch wenn einige häufiger,
andere seltener deutsche Lieder einfügten, [CR 609] so sang das Volk doch fast
überall etwas in der eigenen Sprache. Doch das steht nirgends geschrieben oder ver-
zeichnet, daß es für die Menschen ein nützliches Werk ist, unverstandenen Lesungen
zuzuhören, oder daß die Zeremonien nicht deshalb nützen, weil sie belehren oder
ermahnen, sondern durch den bloßen Vollzug, weil sie so geschehen, daß man sie
anschauen kann. Schlimm können sie wirken, diese pharisäischen Meinungen.
Daß aber bei uns nur die öffentliche und gemeinschaftliche Messe gehalten wird,
geschieht keineswegs gegen die allgemeine Kirche. Denn in den griechischen Ge-
meinden finden bis heute keine Privatmessen statt, sondern man hält [nur] eine öf-
fentliche Messe, und dies nur an den Sonntagen und den Festen. In den Klöstern wird
täglich Messe gehalten, aber nur öffentlich. Dies sind die Spuren alter Gebräuche.
[351] Denn nirgends vor Gregor
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erwähnen die alten Schriftsteller Privatmessen.
Wie die Anfänge waren, übergehen wir jetzt. Das aber steht fest: Nachdem die Bet-
telmönche zu herrschen begannen, nahm ihre Zahl aufgrund völlig falscher Überzeu-
gungen und um des Profites willen derart zu, daß alle trefflichen Männer schon lange
verlangten, hier eine Grenze zu setzen. Wenngleich der hl. Franziskus
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dem mit Recht
zuvorkommen wollte, indem er bestimmt hat, daß sich die einzelnen Gemeinschaften
täglich mit einer einzigen gemeinsamen Messe begnügen sollten. Dies wurde später
181 Papst Gregor I. der Große (590–604).
182 Franz von Assisi († 1226), Brief an das Generalkapitel, Kap. 3
1...,217,218,219,220,221,222,223,224,225,226 228,229,230,231,232,233,234,235,236,237,...549
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