Die Bekenntnisschriften - page 242

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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dem Volk das Evangelium bringt, wie Paulus sagt: „Dafür halte uns jedermann: für
Diener Christi und Haushalter der Geheimnisse Gottes“ (1. Kor 4, 1), d. h. des Evan-
geliums und der Sakramente. Und 2. Kor 5 (v. 20): „So sind wir nun Botschafter an
Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; wir bitten an Christi Statt: Laßt euch ver-
söhnen“ usw. So paßt das Wort „Liturgie“ gut zu „Dienst“. Es ist nämlich ein altes
Wort, das für öffentliche, weltliche Dienste verwandt wurde, und bei den Griechen
bezeichnet es öffentliche Lasten wie die Steuer, die zum Bau einer Flotte erhoben
wurde, oder ähnliches, wie Demosthenes’ Rede „An Leptines“ bezeugt, die sich aus-
schließlich mit der Erörterung öffentlicher Aufgaben und Privilegien befaßt: „Er will
sagen, daß manche unwürdige Menschen nach Erlangung von Abgabenfreiheit öf-
fentliche Leistungen verweigern.
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So hat man auch zu römischen Zeiten gespro-
chen, wie das Reskript des [Kaisers] Pertinax über das Recht der Steuerfreiheit, Lex
Semper, zeigt: „Obwohl die Zahl der Kinder die Eltern nicht von allen öffentlichen
Leistungen [Liturgien] befreit.“
194
Und der Kommentar zu Demosthene
s
195
schreibt,
die „Liturgie“ sei eine Art von Abgaben, erhoben für den Aufwand bei [öffentlichen]
Spielen, den Bau von Schiffen, den Unterhalt des Gymnasiums und ähnliche öffentli-
che Aufgaben. Und Paulus verwendet den Begriff als Bezeichnung für eine Kollekte
2. Kor 9 (v. 12): „Der Dienst dieser Spende [Leiturgia] hilft nicht allein dem Mangel
der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwenglich darin, daß viele Gott danken“
usw. Und Phil 2 (v. 25) nennt er Epaphroditus einen „Liturgen“, einen Helfer in sei-
ner Not, worunter gewiß kein Opferpriester verstanden werden kann. Aber man
braucht hier keine weiteren Zeugnisse, weil denen, die griechische Schriftsteller le-
sen, überall Belege begegnen, in denen der Begriff „Leiturgia“ für öffentliche, weltli-
che Abgaben oder Dienste verwandt wird. Und wegen des Doppellautes leiten die
Grammatiker ihn nicht von dem Wort „Lite“ ab, das Bitten bezeichnet, sondern von
den öffentlichen Gütern, die „Leita“ heißen, so daß „leiturgeo“ heißt: „Ich besorge,
verwalte öffentliche Güter“.
Es ist lächerlich, daß sie behaupten, in den Heiligen Schriften werde der Altar er-
wähnt; deshalb müsse die Messe ein Opfer sein, obwohl das Gleichnis des Altars von
Paulus [nur] um der Analogie willen angeführt wird. Und sie geben vor, das Wort
„Messe“ leite sich vom [hebräischen] Wort für „Altar“, mizbeach, ab. Wozu war es
nötig, die Ableitung von so weit her zu holen, es sei denn, um ihre Kenntnis der he-
bräischen Sprache zu demonstrieren? Wozu ist dies nötig, fernab einen Wortursprung
zu suchen, [CR 624] obwohl das Wort „missa“ doch 5. Mose 16 begegnet, wo es
Sammlungen oder Opfer des Volkes bezeichnet, nicht die Darbringung des Priesters?
Denn die einzelnen Menschen, die zur Passafeier kamen, mußten gleichsam als Be-
kenntniszeichen irgendeine Gabe bringen. Diesen Brauch haben zu Anfang auch die
Christen beibehalten. Wenn sie zusammenkamen, brachten sie Brot, Wein und ande-
193 Demosthenes, An Leptines 1, 457. Im griechischen Zitat steht für „öffentliche Leistung“ das Wort „leiturgia“.
194 Erlaß des Kaisers Pertinax († 193), als „Lex Semper“ zitiert, durch den kinderreiche Eltern von Abgaben befreit
werden.
195 Ulpian, römischer Jurist († 170), Kommentar zu Demosthenes, An Septines, 494, 26.
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