Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Auch der griechische Kanon wendet die Darbringung nicht als eine Genugtuung
den Toten zu. Denn er wendet sie in gleicher Weise allen seligen Patriarchen, Pro-
pheten und [CR 626] Aposteln zu. Es ist also klar, daß die Griechen im Sinne einer
Danksagung opfern, nicht [die Messe] als Genugtuung für Strafen zueignen. Doch
sprechen auch sie nicht nur von der Darbringung des Leibes und Blutes des Herrn,
sondern [auch] von den übrigen Teilen der Messe, nämlich den Gebeten und den
Danksagungen. Denn nach der Konsekration bitten sie, es möge den Empfangenden
nützen; sie sprechen nicht von anderen. Dann fügen sie hinzu: „Auch bringen wir dir
diesen vernünftigen Gottesdienst dar für die im Glauben entschlafenen Vorväter,
Väter, Patriarchen, Propheten, Apostel“ usw
Aber der Ausdruck „vernünftiger
Gottesdienst“ bezeichnet nicht das Opfer selbst, sondern die Gebete und alles, was
dort geschieht. Wenn aber die Gegner zur Darbringung für Tote die Väter ins Feld
führen, so wissen wir, daß die Alten vom Gebet für die Toten sprechen, das auch wir
nicht verbieten; aber die Zueignung des Abendmahls an Tote durch den bloßen Voll-
zug verwerfen wir. Auch hinsichtlich des „vollzogenen Werkes“ leisten die Alten den
Gegnern keinen Beistand. Und wenn sie Belege, vor allem aus Grego
oder noch
Jüngeren, haben, so setzen wir dem ganz klare und sichere Schriftstellen entgegen.
Auch herrscht bei den Vätern eine große Verschiedenheit. Sie waren Menschen und
konnten irren und sich täuschen. Doch wenn sie jetzt wieder lebendig würden und
sähen, daß ihre Worte jene gleißenden Lügen verbrämen, die die Gegner über das
„vollzogene Werk“ verbreiten, so würden sie sich selbst ganz anders auslegen.
[Kulthandlungen als Versöhnungsmittel: Schon die Propheten bekämpften diesen
Irrtum, der erst mit dem Papstreich untergehen wird]
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[376] Fälschlich führen die Gegner gegen uns auch die Verdammung des Aërius an,
der, wie sie sagen, deshalb verdammt worden sei, weil er bestritten habe, daß in der
Messe eine Darbringung für die Lebenden und die Toten geschehe
Sie bedienen
sich oft dieses Kunstgriffes: Sie führen alte Häresien ins Feld, und mit diesen bringen
sie zu Unrecht unsere Sache in Verbindung, um uns durch jenen Vergleich zu bela-
sten. Epiphanius
bezeugt, daß Aërius geglaubt habe, daß Gebete für die Toten
nutzlos sind. Das tadelt er. Auch wir unterstützen Aërius nicht; aber wir streiten mit
euch, die ihr eine offenkundig mit den Propheten, Aposteln und heiligen Vätern in
Widerspruch stehende Häresie ruchlos verteidigt, nämlich, daß die Messe durch den
bloßen Vollzug rechtfertige, daß sie Vergebung der Schuld und der Strafe verdiene,
selbst den Ungerechten, denen sie zugeeignet wird, wenn sie keinen Widerstand ent-
gegensetzen. Wir verwerfen diese verderblichen Irrtümer, die die Ehre des Leidens
Christi verletzen und die Lehre von der Glaubensgerechtigkeit gänzlich verschütten.
199 Die sogenannte „Intercessio“ der Chrysostomusliturgie.
200 Papst Gregor I. der Große (590–604).
201 Aërios († nach 375), ein Asket, Presbyter in Sebaste, bildete aufgrund von Konflikten über Liturgie- und Ord-
nungsfragen eine Sondergemeinde. Er wandte sich gegen abergläubische Vorstellungen über die Fürbitte für die
Toten.
202 Epiphanius von Salamis († 403).