Die Bekenntnisschriften - page 39

Das Augsburger Bekenntnis
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Ehe wie das größte Verbrechen mit tödlichen Strafen zu belegen? Woher ist diese Ungeheuer-
lichkeit in die Kirche eingedrungen, in der doch gegenseitige Liebe herrschen soll?
Zudem: die Sache selbst zeigt, wieviel an Schändlichkeit und Verbrechen das päpstliche
Zölibatsgesetz hervorbringt. Keine menschlichen Worte können ausdrücken, welches Maß an
Verfehlungen aus dieser Quelle die Kirche überflutet hat. [CR 394] Denn, um von den Epiku-
reern zu schweigen, die keine Scham kennen: Wieviel fromme und treffliche Männer haben auf
unglückliche Weise mit der Schwachheit der Natur gekämpft und sind zuletzt in schreckliche
Verzweiflung gefallen. Wohin zielt aber diese neue Grausamkeit, wenn nicht dahin, daß jene
endlosen Freveltaten in der Kirche noch ermutigt werden und die Schamlosen ungestraft sün-
digen?
Über diese Sache braucht man nicht zu disputieren. Denn dieses neue Gesetz, das jetzt von
unseren Gegnern verteidigt wird, das den Priestern sowohl die Eheschließung verbietet als auch
bestehende Eheverträge auflöst, steht im Widerstreit mit dem natürlichen, mit dem göttlichen
Recht, mit dem Evangelium, mit den Verordnungen der alten Synoden, mit den Beispielen der
Alten Kirche. Wie dringend bedürfen wir der Frömmigkeit und Gerechtigkeit des allerbesten
Herrschers, den wir bitten, er möge seiner Frömmigkeit und seinem Amte entsprechend sich
darum mühen, daß durch die Aufhebung des tyrannischen Gesetzes der Kirche geholfen wird!
Wie jede ungerechte Grausamkeit Gott mißfällt, so besonders jene, die an frommen und
gelehrten Priestern verübt wird, die sich um die Kirche verdient gemacht haben. Und nicht
allein die göttlichen Weissagungen drohen denen die schwersten Strafen an, die an Priestern
Grausamkeit verüben, sondern es gibt auch Beispiele aus allen Zeiten, die belegen, daß jene
Drohungen nicht unwirksam sind. Auch wenn wir zahllose andere Beispiele weglassen: Der
Stamm Benjamin wurde fast gänzlich vernichtet wegen der Schändung der Frau des als Gast
aufgenommenen Priesters (Ri 19–20). Als nämlich der Leichnam der Frau, die durch Vergewal-
tigungen ums Leben kam, zerteilt an die Führer Israels gesandt worden war, urteilte das ganze
Volk, daß solche Ungeheuerlichkeit aufs schwerste zu bestrafen sei. Und als die Urheber des
Verbrechens nicht zur Bestrafung ausgeliefert wurden, wurde der ganze Stamm Benjamin,
nachdem er eine große Niederlage erlitten hatte, bestraft. Zur heutigen Zeit aber wird Priestern
vielfältiges Unrecht zugefügt. Obgleich ihnen kein Vergehen vorzuwerfen ist außer der Ehe,
werden sie durch schreckliche Marter gefoltert und getötet. Die elenden Frauen und kleinen
Kinder werden aus ihren Nestlein geworfen und irren landflüchtig umher, ohne festen Wohnsitz,
ohne Dach, ohne Herd.
Paulus nennt das Eheverbot eine Lehre der Dämonen (1. Tim 4, 3). Daß es so ist, beweisen
nicht nur die schimpflichen Laster, die der Zölibat in die Kirche bringt, sondern beweist auch
die Härte, mit der aufgrund dieses Gesetzes gegen Priester, ihre Frauen und Kinder vorgegan-
gen wird. Denn der Teufel ist ein Mörder (Joh 8, 44) und ergötzt sich vor allem am Unheil der
Frommen. Gott aber wird dereinst den Urhebern solcher Beschlüsse seine Strafe erteilen. Wir
halten dafür, daß solches Wüten der Christen unwürdig ist und der Kirche keinen Nutzen bringt.
Zweitens, Christus sagt: „Nicht alle begreifen dieses Wort“ (Mt 19, 11), wo er lehrt,
daß nicht alle Menschen zum Zölibat geeignet sind. Denn Gott hat den Menschen
geschaffen, um Nachkommen hervorzubringen, 1. Mose 1, 27. Es steht aber nicht in
menschlicher Macht, ohne eine besondere Gabe und Wirkung Gottes die Schöpfung
zu ändern. Deshalb sollen diejenigen, die nicht zum Zölibat geeignet sind, eine Ehe
eingehen. Denn kein menschliches Gesetz und kein Gelübde kann Gottes Gebot und
Gottes Ordnung aufheben. Aus diesen Gründen lehren die Priester, es sei ihnen er-
laubt, Ehefrauen heimzuführen.
Av
[
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Zölibatszwang gegen Bibel und Kirchengesetze] Führt man nun aber die Autorität eines
päpstlichen Gesetzes ins Feld: Weshalb berufen sie sich nicht auf die Autorität von Kirchenge-
setzen gegen die schimpflichen Beispiele des unreinen Zölibats und gegen Verbrechen, auf die zu
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