Die Bekenntnisschriften - page 40

Das Augsburger Bekenntnis
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achten wäre? Es darf keine Autorität eines päpstlichen Dekrets geben, das dem Recht der Natur
und dem göttlichen Gebot widerstreitet. Von Natur sind die Menschen so beschaffen, daß sie
fruchtbar sein sollen. Daher sagen die Rechtsgelehrten, die Verbindung von Mann und Frau sei
eine Sache des Naturrechts. Dasselbe lehrt das 1. Buch Mose im ersten und zweiten Kapitel.
[CR 395] Wenn Paulus dann sagt (1. Kor 7, 2): „Ein jeder habe seine eigene Frau zur
Vermeidung der Hurerei“, so gebietet er wenigstens allen, die nicht zum Zölibat geeignet sind,
daß sie heiraten sollen. Auch Christus erinnert daran, daß nicht alle sich zum Zölibat eignen,
wenn er sagt: „Nicht alle begreifen dieses Wort“ (Mt 19, 11).
Ferner, weder menschliche Gesetze noch Gelübde haben Geltung gegen das göttliche Gebot.
Auch das Ergebnis selbst beweist, daß die Natur durch menschliche Gesetze nicht verändert
werden kann. Wir sehen ja, welche Schändlichkeit jener Zölibat hervorbringt. Und wenn es
treffliche Männer gibt, die sich keusch zu sein bemühen, so erkennen sie die Größe der Last und
Gefahr, und sie besonders beklagen die Knechtschaft dieser Ordnung. Auf der nizänischen Syn-
ode haben einige versucht, ein Gesetz zu beantragen, das den Priestern die Gewohnheit der Ehe
verbieten sollte. Dieses Gesetz wurde von der ganzen Synode verworfen. Auch die Lateinische
Kirche ist einst milder verfahren. Denn sie hat nur diejenigen aus den Ämtern entlassen, die
heirateten, als sie schon ein kirchliches Amt innehatten, ohne die Ehe [von Priestern] zu
verbieten. Dieses neue Gesetz, das gänzlich die Ehen verbietet und gültige Ehen auflöst, stammt
von Päpsten. Der Alten Kirche und den Synoden war es unbekannt.
Es steht auch fest, daß in der Alten Kirche die Priester verheiratet waren. Denn auch
Paulus sagt, [88] es sei ein Bischof zu wählen, der verheiratet ist (1. Tim 3, 2). Und in
Deutschland sind erst vor vierhundert Jahren die Priester mit Gewalt zum Zölibat
gezwungen worden. Sie haben sich freilich so sehr widersetzt, daß der Mainzer
Erzbischof, als er ein Edikt des römischen Papstes zu dieser Sache veröffentlichen
wollte,
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fast von den erzürnten Priestern durch einen Aufruhr überwältigt worden
wäre. Und die Sache wurde so unangemessen gehandhabt, daß nicht nur für künftig
Ehen verboten wurden, sondern auch schon bestehende getrennt wurden, gegen jedes
göttliche und menschliche Recht, ja auch gegen Kirchengesetze, die nicht nur von
Päpsten, sondern von berühmten Synoden stammten.
[89] Da nun auch mit dem Altern der Welt die menschliche Natur allmählich
schwächer wird, ist es angebracht, Vorsorge zu treffen, daß sich nicht noch mehr Ge-
brechen in Deutschland einschleichen.
Nun aber hat Gott die Ehe eingesetzt als ein Heilmittel für die menschliche
Schwachheit. Selbst die Kirchengesetze sagen, die ursprüngliche Strenge sei biswei-
len in späteren Zeiten wegen der Schwäche der Menschen zu mildern. Es ist zu wün-
schen, daß das auch in dieser Sache geschieht. Auch hat es den Anschein, daß den
Kirchen irgendwann einmal Pastoren fehlen werden, wenn die Ehe noch länger ver-
boten sein soll.
Av
[
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Erzwungene Einführung des Zölibats] Es steht aber fest, daß beide Teile dieses Dekrets
dem Evangelium widerstreiten. Man führt gegen uns die Autorität der Kirche und der Sy-
noden an, die doch die Päpste selbst, die Urheber dieses Dekrets, schamlos verachtet haben.
Fromme Priester haben öffentlich diesem neuen Gesetz widersprochen. Denn die Kirchen-
geschichte bezeugt, daß dieses Gesetz nicht ohne schwere Kämpfe den Kirchen auferlegt
90 Erzbischof Siegfried von Mainz auf den Synoden zu Erfurt und Mainz im Jahre 1075.
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