Das Augsburger Bekenntnis
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über die christliche Lehre das Wort Gottes zu Rate ziehen müssen und daß ein Brauch wider das
Wort Gottes nicht zu billigen ist.
Obwohl aber die Gewohnheit in der Lateinischen Kirche den alten Brauch geändert hat,
verwirft und verbietet sie ihn doch nicht. Denn in der Tat darf menschliche Autorität die
Anordnung Christi und den zuhöchst anerkannten Brauch der Alten Kirche nicht verbieten.
Daher meinten wir nicht, daß der Gebrauch des ganzen Sakraments verboten werden dürfe. Und
in derjenigen Zeremonie, die ein Treubund gegenseitiger Liebe in der Kirche sein muß, wollten
wir nicht der Liebe zuwider hart gegenüber den Gewissen anderer sein, die lieber das ganze
Sakrament gebrauchen wollten. Und wir meinten nicht, daß in dieser Sache irgendeine
Grausamkeit geübt werden dürfe. Sondern soviel wir können, haben wir mit der Zeremonie
selbst die fromme Lehre von ihrer Frucht wiederhergestellt, damit das Volk versteht, daß das
Sakrament eingesetzt ist, um die Gewissen derer zu trösten, die Buße tun. Diese Lehre lädt die
Frommen zum ehrfürchtigen Gebrauch des Sakraments ein. Denn zuvor war auch nicht nur die
Zeremonie verstümmelt, es wurde auch die wichtige Lehre von der Frucht des Sakraments
vernachlässigt. Und vielleicht hat die Verstümmelung des Sakraments auch gezeigt, daß das
Evangelium vom Blut Christi, das heißt, von der Wohltat des Todes Christi, verfinstert worden
war. Jetzt, dank der Wohltat Gottes, wird die reine Lehre vom Glauben erneuert und wiederher-
gestellt zugleich mit der Zeremonie.
23. Von der Ehe der Prieste
Es gab öffentliche Klage über schlimme Beispiele von Priestern, die keine Enthalt-
samkeit übten. Aus diesem Grunde, heißt es, habe auch Papst Pius
gesagt, es habe
einige Gründe gegeben, weshalb [87] den Priestern die Ehe genommen worden sei,
aber viel stärkere Gründe gebe es, warum sie ihnen belassen werden sollte. So näm-
lich schreibt Platina
. Als daher die Priester bei uns jene öffentlichen Ärgernisse
vermeiden wollten, führten sie Frauen heim und lehrten, es sei ihnen erlaubt, die Ehe
einzugehen. Erstens, weil Paulus sagt: „Um der Unkeuschheit willen habe ein jeder
seine eigene Frau“ (1. Kor 7, 2). Desgleichen: „Es ist besser zu heiraten, als von Be-
gierde verzehrt zu werden“ (1. Kor 7, 9).
Av
[Neufassung des Artikels:]
[CR 393]
Von der Ehe der Priester
[
1
Schlimme Folgen des Zölibatsgesetzes] Obwohl die christliche Lehre die Ehe zu Ehren bringt
und gebietet, von ihr Gebrauch zu machen, nicht nur um der Zeugung willen, sondern auch um
die Lüste zu zügeln und ihnen zu begegnen, werden jetzt nicht nur durch ein päpstliches Gesetz,
sondern auch durch eine neue beispiellose Härte
den Priestern Ehen verboten, und Eheverträ-
ge werden aufgehoben. Das aber ist um so unwürdiger, weil es in der Kirche geschieht, die doch
ganz besonders vor Schändlichkeit zurückschrecken, also zur Vermeidung vieler gewaltiger
Schandtaten mit höchstem Eifer die Ehe schützen müßte. Zudem, da auch in allen nur mäßig
geordneten heidnischen Staaten aus höchst gewichtigen Gründen die Ehe in großen Ehren
stand: Was steht der Kirche weniger an, als den hochheiligen Ehebund zu zerreißen oder die
86 Der deutsche Text dieses Artikels hat (u. a. stilistisch bedingt) fast die doppelte Länge wie der lateinische.
87 Pius II. (Pontifikat 1458–1464).
88 Humanistischer Schriftsteller und Leiter der Vatikanischen Bibliothek († 1481).
89 Über Strafmaßnahmen gegen Priester, die geheiratet hatten.