Das Augsburger Bekenntnis
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große Heroen sehr verdient gemacht: Gideon, Hiskia, Josia, Konstantin und viele andere. Dar-
aus wirst du ersehen, daß es deine Pflicht ist, Fürsorge walten zu lassen, damit nicht unterdrückt
wird, was von trefflichen und gelehrten Männern fromm und nutzbringend ans Licht gebracht
und erneuert wurde, und zu verhindern, daß Gottlose mit deiner Autorität Mißbräuche festigen.
Der Psalm sagt: „Wegen deines Tempels in Jerusalem werden dir Könige Geschenke
bringen“ (Ps 68, 30).
[CR 398] Die eigentlichen, der Kirche zu bringenden Gaben der Könige sind: nach der wah-
ren Lehre zu forschen und dafür zu sorgen, daß gute Lehrer den Kirchen vorstehen, Mühe darauf
zu verwenden, daß kirchliche Streitfragen richtig entschieden werden, die fromme Lehre nicht zu
zerstören, sondern vielmehr aufzurichten, zu verbreiten und zu verteidigen, die Eintracht der
Kirche richtig herbeizuführen und zu beschützen. Mit diesen Gaben kannst du jetzt,
vortrefflichster Kaiser, die Kirche Christi beschenken. Ganz besonders von dir fordert dies Chri-
stus selbst; auch die auf schreckliche Arten verwundeten Kirchen bitten dich darum.
Schließlich, weil menschliche Überlieferungen sich nach den Zeiten richten müssen, vor allem in
der Kirche, in der sich ereignen muß, was über menschliche Überlieferungen weit hinausgeht,
[nämlich] das Heil der Frommen, Nächstenliebe und öffentlicher Friede: Darum wäre es viel
besser, die Aufhebung dieser lächerlichen Tradition vom Zölibat geschehen zu lassen, als unreine
Lüste zu fördern, Ehen zu trennen, grausam gegen Priester und deren Frauen und Kinder vorzuge-
hen, fromme Lehre zu unterdrücken und Verwüstung in den Gemeinden anzurichten.
Obgleich aber der Himmel zu allen Zeiten auffallende Strafen für böse Lüste verhängte, wie die
Geschichten [CR 399] von der Sintflut, von Sodom, von David und schließlich auch unzählige
heidnische Geschichten bezeugen, so nehmen doch ruchlose Menschen das Gericht Gottes leicht,
lachen über die bösen Lüste und dulden deshalb befleckte und unreine Opferer. Hinzu kommt noch
dies, daß Unvermählte leichter das kirchliche Vermögen bewahren können und [damit] auch diese
Pracht, die jetzt bei den vornehmsten Kirchenleuten zu finden ist. Weil die Könige dies als Schmuck
für sich selbst betrachten, haben sie den Zölibat mit erhöhtem Eifer verteidigt.
Aber das Evangelium befiehlt uns, gottlosen Urteilen und Nützlichkeitsgründen das Gebot
Gottes vorzuziehen. Es zeigt, daß Strafen für böse Lüste weithin über alle Völker ergehen und
daß die Unreinen mit Blindheit und ewigen Martern bestraft werden. Es gebietet, die Ehe zu
gebrauchen und der Ordnung Gottes zu gehorchen, der die Natur der Menschen so geschaffen
hat, daß eine dauerhafte Gemeinschaft zwischen zwei Ehegatten, Mann und Frau, bestehen soll.
Es erinnert daran, daß Gottesverehrung bedeutet, der Anordnung und Stimme Gottes zu gehor-
chen, und daß man sich von abergläubischer Praxis, die der göttlichen Ordnung widerstreitet,
fernzuhalten hat. Deshalb haben wir das Eheverbot aufgehoben, und wir halten dafür, daß es in
der ganzen Kirche beseitigt werden muß. Und weil wir nicht bezweifeln, daß alle sündigen, die
jenes Verbot verteidigen, erlauben wir den Priestern rechtmäßige und gottesfürchtige Ehen. Es
bedarf in dieser Sache auch keiner längeren Erörterung. Worauf es ankommt, das ist ein Rich-
ter, der nicht die bösen Lüste belächelt, sondern den Zorn Gottes fürchtet, sich bemüht, die
wahren Pflichten der Frömmigkeit zu verstehen, der auch die ungerechte Grausamkeit haßt, die
jetzt gegen verheiratete Priester und deren Frauen und Kinder verübt wird.
Wir bitten daher den Kaiser, er wolle nicht das päpstliche Gesetz [CR 400] über den Zölibat
verteidigen, das dem Gebot Gottes und den alten Synoden widerstreitet. Er möge nicht Urheber
oder Helfer ungerechter Grausamkeiten sein, sich nicht mit den Mördern der niedergemetzelten
frommen Priester entehren. Denn Gott bestraft hart auch sonstiges ungerechtes Gemetzel; ganz
besonders aber zürnt er denen, die Grausamkeit gegen fromme Priester verüben, wie er 2. Köni-
ge 9, 7 sagt: „Ich will rächen das Blut meiner Knechte, der Propheten“ usw. Was ist unwürdiger,
als wenn kaiserliches Regiment, das von Gott dazu bestimmt wurde, die wahre Lehre von Gott, die
wahren Gottesdienste, ehrbare Ehen und gute Sitten zu schützen, dahin gerät, die wahre Lehre zu
zerstören, Ehen zu trennen und schändliche Begierden von Päpsten, Priestern und Mönchen noch
zu bestärken und zu vermehren? Welch elendes Schauspiel ist es, wenn Könige, die Gottes Ebenbild
auf Erden sein sollten, nicht Gott dienen, sondern dem Wüten des Teufels, der schreckliche Sünden,
Götzenwahnsinn, böse Lüste und ungerechte Grausamkeit noch bestärkt?
Nun aber, da es von der Kirche und der Verteidigung der Frommen heißt: „Wohl dem, der sich
des Bedürftigen und Armen erbarmt; den wird der Herr erretten zur bösen Zeit“ (Psalm 41, 2), so
wünschen wir, daß alle Könige und Fürsten von dieser himmlischen Stimme bewegt werden und die
frommen Priester und ihre Frauen und Kinder beschützen, die, wie wir nicht bezweifeln, Gottes
Pfleglinge sind.