Das Augsburger Bekenntnis
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de belehrt wurden, haben bei uns die Privatmessen ein Ende gefunden, da es [zuvor]
fast keine Privatmessen gab, die nicht um des Erwerbs willen stattfanden.
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den Bischöfen waren diese Mißbräuche nicht unbekannt. Wenn sie sie bei-
zeiten abgestellt hätten, gäbe es jetzt weniger Streit. Zuvor haben sie durch ihr Über-
sehen das Eindringen vieler Fehler in der Kirche geduldet. Jetzt, sehr spät, fangen sie
an, über die Schäden der Kirche zu klagen, obwohl dieser Lärm nicht anderswoher als
durch jene Mißbräuche veranlaßt wurde, die so offenkundig waren, daß sie nicht noch
weiter geduldet werden konnten. Großer Streit ist über die Messe, das Sakrament,
entstanden, vielleicht deshalb, damit der Weltkreis Strafen austeile [93] wegen der
langdauernden Entweihung der Messen, die [gerade] diejenigen in der Kirche so viele
Jahrhunderte geduldet haben, die es hätten bessern können und auch müssen. Denn
im Dekalog steht geschrieben: „Wer den Namen des Herrn mißbraucht, wird nicht
ungestraft bleiben“ (2. Mose 20, 7). Und doch scheint vom Anfang der Welt an keine
göttliche Sache jemals so sehr zur Erwerbssache gemacht worden zu sein wie die
Messe.
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[Tradition des Mißbrauchs der Messe] [CR 376] Es steht aber fest, daß es viele Jahrhunderte
lang eine öffentliche Klage trefflicher Männer über den Mißbrauch und die Entweihung der
Messen gegeben hat. Es ist nämlich nicht verborgen, wie weit dieser Mißbrauch verbreitet ist: in
allen Kirchen, in denen Messen entgegen dem Verbot der Kirchengesetze zelebriert werden.
Weiter, wie schimpflich werden Messen zum gottlosen Gewinn benutzt. Die meisten zelebrieren
nämlich Messen ohne Buße und nur des Bauches wegen. Diese Dinge sind zu bekannt, als daß
sie geleugnet werden könnten. Und es scheint überhaupt seit Beginn der Welt keine göttliche
Sache so allgemein zum Gewinn verwandt worden zu sein wie die Messe. Paulus bedroht aber
diejenigen schrecklich, die das Sakrament unwürdig verwalten, wenn er sagt: „Wer unwürdig
dieses Brot ißt oder den Kelch des Herrn trinkt, wird schuldig am Blut des Herrn“ (1. Kor 11, 27).
Und im Dekalog steht geschrieben: „Wer den Namen des Herrn mißbraucht, wird nicht unge-
straft bleiben“ (2. Mose 20, 7).
Wie also auch sonst oft der Himmel verschiedene Strafen für Götzendienst verhängt hat, so
wird ohne Zweifel diese ungeheure Entweihung der Messe mit furchtbarsten Strafen geahndet
werden. Und vielleicht wird besonders aus diesem Grunde die Kirche in diesen letzten Zeiten mit
Blindheit, Zwietracht, Kriegen und vielem anderen Verderben geschlagen. Auch waren den
Bischöfen bisher diese offenkundigen Mißbräuche nicht unbekannt; sie haben sie aber nicht nur
geduldet, sondern auch noch süß belächelt. Sehr spät beginnen sie nun nach den Schäden der
Kirche zu suchen, da keine andere Sache einen solchen Anlaß zu den Unruhen dieser Zeit gege-
ben hat wie diese Mißbräuche, die bereits so offenkundig waren, daß sie von besonnenen Leuten
nicht länger geduldet werden konnten. O, daß doch [CR 377] die Bischöfe ihrem Auftrag gemäß
vor dieser Zeit die Habsucht und die Unverschämtheit gezügelt hätten, sei es der Mönche, sei es
anderer, die nach Änderung der Sitte der alten Kirche die Messen zum Gewinn verwandt haben!
[
3
Ursprung des Mißbrauchs: Meß-„Opfer“ als Sühnemittel] Dazu kommt eine Mei-
nung, die die Privatmessen ins Unermeßliche vermehrt hat, nämlich: Christus habe
durch sein Leiden [zwar] für die Erbsünde Genugtuung geleistet; die Messe [aber]
habe er eingesetzt als eine Darbringung für die täglichen Vergehen, die tödlichen und
die verzeihlichen. Daraus entstand die allgemein verbreitete Meinung, die Messe sei
96 Dieser Absatz (bis „… wie die Messe“) hat keine Entsprechung im deutschen Text.