Die Bekenntnisschriften - page 42

Das Augsburger Bekenntnis
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ken: Die Natur der Menschen selbst ist gleichsam gealtert und wird schwächer. Deshalb muß
man dafür sorgen, daß die Laster nicht noch wachsen. Auch dürfen die Gesetze selbst nicht eine
Saat für Laster sein. Plato sagt sehr nachdrücklich, Gesetze müßten um der Tugend willen
gegeben werden. Ob aber die Tradition des Zölibats der Frömmigkeit halber verteidigt wird
oder aus einem anderen Grund, ist nicht schwer zu entscheiden.
Schließlich: Da Christus die Sorge für die Diener des Evangeliums vor allem den Gottes-
fürchtigen übertragen hat, bitten wir, der rechtschaffenste Kaiser möge die Grausamkeit verbie-
ten, die schon lange gegen fromme Menschen, gegen Priester geübt wird. Und das möge er
besser mit der Kirche beraten als mit unseren Gegnern. In der Kirche müssen Liebe und Barm-
herzigkeit einen hohen Rang haben. Die wahre Kirche schreckt daher ganz besonders vor nicht
notwendigen Grausamkeiten zurück. Sie will auch nicht, daß die Priester einer tyrannischen
Überlieferung wegen getötet werden. Und sie will auch, daß man die elenden Ehefrauen und
Kinder der Priester verschont. Ihrer aller Leben und Heil legt die Kirche dir, gütigster Kaiser, ans
Herz. Alle Frommen überall auf der Erde sind von diesen Beschwernissen betroffen. Auch die-
jenigen, die schweigen, ersehnen in dieser Sache christliche Milde. Und sie befehlen dir unter
gemeinsamen Tränen die gelehrten und trefflichen Männer an, die der Kirche Nutzen bringen, und
deren Ehefrauen und Kinder. Sie sehen, daß du sowohl von Natur begabt bist mit einer
außerordentlichen und heroischen Güte, als auch in dieser Sache bisher eine besondere Mäßigung
walten ließest, die darauf hindeutet, daß du erwägst, wie der Staat auf rechte Weise zu heilen wäre.
Die Kirche will nicht, daß du ein Handlanger fremder Grausamkeit wirst. Es ist die größte
Ehre der Könige, die Jesaja ihnen beilegt, wenn er sagt, sie sollten Pfleger der Kirche sein
(Jes 49, 23). Das heißt, ihre Reiche sollten der Verteidigung des Friedens und der menschlichen
Gemeinschaft nicht nur zum leiblichen Nutzen dienen, sondern auch das Evangelium unter-
stützen, indem sie nämlich sowohl die Priester schützen als auch den Gemeinden Ruhe ver-
schaffen, damit die Jugend in die Gottesverehrung eingeführt werden kann und die Menschen
[im Evangelium] unterrichtet werden können. Es bittet also die Kirche, du mögest der frommen
Priester gedenken als Pfleglingen, die man schützen muß. Dein Amt ist es, ein Schutz der Unschuld
zu sein, Unrecht abzuwehren, vor allem von den Schwachen, die sich nicht selbst schützen können,
von redlichen Frauen, von der Jugend, von den Waisen. Unter ihnen sind auch die Frauen und
Kinder der Priester, die wahrlich Waisen sind: Halte dafür, daß sie dir von Gott anvertraut sind.
Besonders aber hat die Kirche brüderliche Liebe. Sie kennt nicht nur die Liebe zwischen
Eheleuten und der Eltern gegen [CR 397] die Kinder, sondern wird auch selbst bewegt durch
Trübsale der Verlassenen und Waisen. Aber auch in der so großen Güte deiner Natur, so meint
sie, sei nichts lieblos. Daher hofft sie, daß auch dir die Tötung und Marter von Priestern, die
Vertreibung von Frauen und Kindern Schmerz bereiten.
Auch mahnt die Kirche dies an: Du mögest dafür sorgen, daß nicht viele Stücke der christ-
lichen Lehre, die notwendig der Erklärung bedürfen, mit unterdrückt werden, wenn man fromme
Gelehrte tötet und den Menschen die Beschäftigung mit der christlichen Lehre unmöglich macht.
Was anderes betreiben unsere Gegner, als alle Bildung zu zerstören und die Lehre zu unter-
drücken, damit die Leute dann nur noch von der Autorität der Herrschenden abhängig sind: Sie
sollen jedwede gottlosen Träume ungelehrter Leute, beliebige Absurditäten für Orakel halten.
Unsere Gegner meinen, solche barbarische Knechtung nütze ihrer Herrschaft. Es ist kein Ge-
heimnis, daß vielerorts durch diese Knechtung die Kirche unterdrückt am Boden liegt.
Auch wir erkennen die alten, mit der apostolischen Lehre übereinstimmenden Synoden an.
Aber es darf doch nicht sein, daß bei allen Mißbräuchen und Fehlentscheidungen, die die
neuere, schlechtere Zeit in die Kirche gebracht hat, die Autorität der Kirche vorgeschützt wird.
Die Leute täuschen sich allzusehr, wenn sie meinen, daß aus den Neigungen begieriger Men-
schen, aus den Labyrinthen und Finsternissen der scholastischen Lehre und der Überlieferungen
nichts Schlimmes in die Kirche eingeflossen sei. Auch werden gegenwärtig treffliche Männer
nicht so sehr um ihrer Ehen willen bedroht, als wegen ihres Bemühens, die christliche Lehre zu
reinigen und ins Licht zu setzen, was doch die Bischöfe leiten und unterstützen müßten. Denn
ihnen vor allem ist die Sorge um die Zurüstung und Verteidigung der Lehre anvertraut; sie
müßten Lenker und Ermunterer bei diesen so heiligen und nützlichen Studien sein.
Aber nicht allein den Bischöfen kommt es zu, sondern auch den frommen Fürsten und beson-
ders dem Kaiser, das Evangelium in reiner Gestalt zu verstehen. Sie müßten Lehren beurteilen,
darüber wachen, daß nicht gottlose Meinungen angenommen oder bestärkt werden, und mit
ganzem Eifer Götzendienst beseitigen. Bei diesen Aufgaben haben sich unter den Frommen viele
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