Die Bekenntnisschriften - page 51

Das Augsburger Bekenntnis
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gen der Theologen und die zahllosen Überlieferungen über die Buße eine schreckliche Qual der
Gewissen waren. Denn nirgends haben sie etwas Sicheres darüber gelehrt, auf welche Weise
Vergebung der Sünden geschieht; über den Glauben herrscht geradezu tiefstes Schweigen. Sie
dringen sogar darauf, an der Sündenvergebung ständig zu zweifeln. Endlich peinigen sie die Ge-
wissen mit der pedantischen Aufzählung der Übertretungen, ebenso mit den Genugtuungsleistun-
gen. Welch ein Fallstrick für das Gewissen war die Tradition, die alle Sünden aufzuzählen verlangt!
Früher wurden die Genugtuungsleistungen maßlos gepriesen; der Glaube und das
Verdienst Christi sowie die Glaubensgerechtigkeit fanden keine Erwähnung. Daher
sind in dieser Hinsicht unsere Kirchen am allerwenigsten zu beschuldigen. Denn das
müssen uns auch die Gegner einräumen, daß von den Unsrigen die Lehre von der
Buße sehr sorgfältig behandelt und bekanntgemacht worden ist.
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Die Genugtuungsleistungen haben wirklich die Wohltat Christi verdunkelt, denn sogar gelehrte
Leute bilden sich ein, der ewige Tod werde durch sie aufgewogen. Ungelehrte meinten, durch
diese Werke werde Vergebung der Schuld erkauft – wozu die von Gott nicht gebotenen Kulte
meistens bestimmt waren: das Plappern von Gebeten, die Anrufung von Heiligen, Wallfahrten
und anderes dieser Art. So ist die einfache Lehre von der Buße verschüttet worden unter einem
riesigen Haufen unnützer und falscher Meinungen. Auch steht fest, daß treffliche Leute jahrhun-
dertelang nach einer reineren Lehre verlangt haben.
Nun aber ist es besonders nötig, daß es in der Kirche eine ganz reine und einfache Lehre von
der Buße gibt. Deshalb haben sich die Unseren größte Mühe gegeben, diesen Glaubensartikel
ins Licht zu setzen. Und sie haben ihn so erläutert, daß sogar unter den Gegnern die Vernünfti-
geren bekennen, sie hätten sich in dieser Sache um die Kirche verdient gemacht.
Denn schlicht, deutlich und ohne jede Sophisterei legen wir die Meinung des Evangeliums
über die Buße dar, damit die Menschen verstehen, wie sie zu Christus zurückkehren sollen, wie
sie Vergebung der Sünden erlangen können und welche Gottesdienste, welche Werke Gott gefal-
len. Erstens lehren wir, daß die Reue notwendig ist, das heißt die wahren Schrecken und
Schmerzen des Herzens, das den Zorn Gottes erkennt, betrübt ist, gesündigt zu haben, und
aufhört, Böses zu vollbringen. Obwohl aber diese Schmerzen notwendig sind, muß man doch
wissen, daß die Vergebung der Sünden nicht wegen des Wertes der Reue oder dieser Schmerzen
gewährt wird. Sondern der Glaube muß hinzukommen, das heißt das Vertrauen auf die um Chri-
sti willen verheißene Barmherzigkeit; und es muß feststehen, daß die Sünden umsonst um Christi
willen vergeben werden.
Wenn wir durch diesen Glauben in jenen Schrecken aufgerichtet werden, erlangen wir mit
Gewißheit die Sündenvergebung, wie wir oben gezeigt haben. Aber diesen Glauben empfangen
die Herzen aus dem Evangelium, ebenso aus der Lossprechung, die das Evangelium ankündigt
und den sehr erschrockenen Gewissen zuwendet. Deshalb lehren die Unseren auch, daß die
persönliche Absolution in den Kirchen beibehalten werden muß. Sowohl deren Würde als auch
die Vollmacht der Schlüssel zeichnen sie mit wahren und reichlichen Worten des Lobes aus.
Denn die Schlüsselgewalt verwaltet das Evangelium, nicht nur allgemein für alle, sondern auch
persönlich gegenüber einzelnen, wie Christus spricht: „Du wirst den Bruder gewonnen haben“
usw. (Mt 18, 15). Und [sie lehren auch], daß jenem Wort [CR 384] des Evangeliums, das uns
durch das Amt der Kirche in der Lossprechung vermittelt wird, geglaubt werden muß als einer
vom Himmel her ertönenden Stimme.
Diese ganze Wohltat der Lossprechung und dieses Amtes war vorher völlig verdunkelt durch
die falschen Vorstellungen derer, die lehrten, daß die Absolution nicht gelte, wenn wir keine
genügende Reue hätten. Und dann ließen sie an der Absolution zweifeln, weil niemand wissen
würde, daß er hinreichend reuevoll sei. Was war das anderes, als den Trost des Evangeliums
den Gewissen zu entreißen, ihn aus der Kirche zu entfernen und überhaupt den Dienst am
Evangelium oder die Schlüsselgewalt zu beseitigen? Wer sieht nicht, daß diese so verderblichen
Irrtümer mit Recht getadelt werden müssen?
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