Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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beschreibt: „Wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern von
dem Herrn, der der Geist ist“ (2. Kor 3, 18). Er schreibt nicht: „Wir empfangen nach
und nach andere Kutten oder andere Schuhe oder andere Gürtel.“ Es ist erbärmlich,
daß man in der Kirche solche pharisäischen, ja mehr noch mohammedanischen Worte
liest und hört, nämlich, daß die Vollkommenheit des Evangeliums, des Reiches
Christi, d. h. das ewige Leben auf diese törichten Vorschriften über Kleider oder
ähnliche Nichtigkeiten gegründet wird.
[Haltlose Behauptungen der Konfutatoren über Verdienstlichkeit des Mönchtums als
Lehre der Schrift – Bernhard von Clairvaux bezeugt das Gegenteil]
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Doch hört jetzt unsere hohen Richter
, welch unwürdigen Spruch sie in der
Konfutation gefällt haben. Sie sagen so: „In der Heiligen Schrift [387] kommt zum
Ausdruck, daß das durch die schuldige Beachtung bewahrte mönchische Leben, das
durch Gottes Gnade alle Mönche ohne Unterschied einhalten können, das ewige Le-
ben verdient, und zwar ein um vieles gesteigertes. Christus hat es denen verheißen,
die Haus oder Brüder verlassen würden“ usw. (Mt 19, 29). Das sind die Worte der
Gegner, in denen zunächst ganz schamlos behauptet wird, in der Heiligen Schrift sei
ausdrücklich gesagt, daß das mönchische Leben das ewige Leben verdiene. Wo sagt
die Heilige Schrift dies denn vom Mönchtum? So gehen die Gegner mit der Streitfra-
ge um; so zitieren nichtsnutzige Menschen die Schrift. Obwohl jeder genau weiß, daß
das Mönchtum erst neuerdings erfunden wurde, machen sie doch die Autorität der
Schrift geltend und behaupten tatsächlich, ihr Dekret stehe in der Schrift geschrieben.
Außerdem fügen sie Christus Schmach zu, wenn sie behaupten, daß die Menschen
durch das Mönchtum das ewige Leben verdienen. Gott hat nicht einmal seinem Ge-
setz diese Ehre zuerkannt, daß es das ewige Leben verdiene, wie er deutlich bei He-
sekiel, Kapitel 20 (v. 25) sagt: „Ich gab ihnen Gebote, die nicht gut waren, und Gesetze,
durch die sie kein Leben haben konnten.“ Erstens ist gewiß, daß das mönchische
Leben nicht die Sündenvergebung verdient, sondern wir sie umsonst durch den Glau-
ben empfangen, wie oben gesagt wurde. Zweitens: Um Christi willen, durch die
Barmherzigkeit wird das ewige Leben denen geschenkt, die durch den Glauben Ver-
gebung empfangen und nicht die eigenen Verdienste dem Richtspruch Gottes entge-
genhalten, wie dies auch Bernhard sehr nachdrücklich sagt: „Zu allererst ist es nötig
zu glauben, daß du keine Sündenvergebung haben kannst außer durch Gottes Nach-
sicht. Ferner, daß du überhaupt kein gutes Werk haben kannst, wenn nicht er selbst
[dir] auch dies geben würde. Schließlich, daß du das ewige Leben durch keine Werke
verdienen kannst, es sei denn, es wird [dir] auch das umsonst geschenkt.“
Das
weitere, was auf diesen Ausspruch folgt, haben wir oben angeführt. Am Ende aber
fügt Bernhard hinzu: „Niemand betrüge sich selbst; denn wenn er nur gründlich
nachdenken wollte, so wird er ohne Zweifel erkennen, daß er nicht mit Zehntausend
216 Im Text: „unsere Areopagiten“ (= Mitglieder des obersten athenischen Gerichtshofes).
217 Bernhard von Clairvaux, Predigt zum Tag der Verkündigung der seligen Jungfrau Maria, Kap. 1, 1.