Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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tuung für die Sünden. Denn diese Meinung ist eine offenkundige Schmähung des
Evangeliums, welches lehrt, daß uns umsonst Sündenvergebung um Christi willen
geschenkt wird, [CR 630] wie oben reichlich dargelegt wurde. Mit Recht also haben
wir das Pauluswort an die Galater zitiert: „Ihr habt Christus verloren, die ihr durch
das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen“ (Gal 5, 4). Dieje-
nigen, die die Sündenvergebung nicht durch Glauben an Christus, [381] sondern
durch mönchische Werke zu erlangen suchen, tun der Ehre Christi Abbruch und
kreuzigen Christus aufs neue. Hört aber, hört, wie die Verfertiger der Konfutation
sich hier herauswinden. Sie legen das Pauluswort nur im Blick auf das Gesetz des
Mose aus und fügen hinzu, daß die Mönche alles um Christi willen halten und versu-
chen, genauer nach dem Evangelium zu leben, um das ewige Leben zu verdienen.
Und sie fügen einen schlimmen Nachsatz hinzu mit den Worten: „Deshalb sind die
Dinge gottlos, die hier gegen das Mönchtum angeführt werden.“
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– O Christe, wie
lange willst du diese Schmähungen ertragen, mit denen unsere Feinde deinem Evan-
gelium zusetzen! Wir haben in unserem Bekenntnis gesagt, daß die Sündenvergebung
umsonst um Christi willen durch den Glauben empfangen wird. Wenn das nicht die
ureigenste Stimme des Evangeliums ist, wenn das nicht der Spruch des ewigen Va-
ters ist, den du, der du im Schoße des Vaters bist, der Welt offenbart hast, so werden
wir mit Recht geprügelt. Aber dein Tod ist Zeuge, deine Auferstehung ist Zeuge, der
Heilige Geist ist Zeuge, deine ganze Kirche ist Zeuge, daß wirklich dies die Lehre des
Evangeliums ist, daß wir die Sündenvergebung nicht um der Verdienste willen,
sondern um deinetwillen durch den Glauben erlangen.
Wenn Paulus bestreitet, daß die Menschen durch das Gesetz des Mose Sündenver-
gebung verdienen, so entzieht er dieses Lob erst recht den menschlichen Satzungen
[382] und bezeugt das offen im Brief an die Kolosser (Kol 2, 16). Wenn das Gesetz
des Mose, das von Gott offenbart worden war, nicht die Sündenvergebung verdiente,
um wieviel weniger verdienen dann erst jene albernen Auflagen, die von der weltli-
chen Lebensform abschrecken, die Sündenvergebung?
Die Gegner erdichten, Paulus schaffe das Gesetz des Mose ab und Christus folge
[ihm] so, daß er die Sündenvergebung nicht umsonst schenke, sondern um der Werke
anderer Gesetze willen, wenn man jetzt welche erdenkt. Mit dieser gottlosen und
schwärmerischen Vorstellung verschütten sie die Wohltat Christi. Sodann geben sie
vor, daß unter denen, die jenes Gesetz Christi beachten, die Mönche es genauer ein-
halten als die anderen – [nämlich] wegen ihrer Heuchelei von Armut, Gehorsam und
Keuschheit, obwohl dies alles doch voller Täuschung ist. Die Armut rühmen sie im
größten Überfluß an allem. Den Gehorsam rühmen sie, obwohl keine Menschengrup-
pe mehr Freiheit hat als die Mönche. Vom Zölibat ist besser gar nicht zu reden: Wie
rein er bei den meisten ist, die enthaltsam leben wollen, zeigt Gerson an.
Aber –
wie viele bemühen sich [schon wirklich], enthaltsam zu leben?
[CR 631] Durch solche Vortäuschung leben die Mönche „genauer nach dem Evan-
gelium“. Christus folgt nicht so auf Mose, daß er um unserer Werke willen Sünden
208 Gerson († 1429), Über den Zölibat, Kap. 3.