Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
290
vergibt, sondern, daß er seine Verdienste, seine Versöhnung für uns dem Zorne Got-
tes entgegenhält, [383] damit uns umsonst verziehen wird. Wer aber abgesehen von
der Versöhnung Christi eigene Verdienste dem Zorn Gottes entgegenhält und auf-
grund eigener Verdienste Sündenvergebung zu erlangen versucht, mag er nun Werke
des mosaischen Gesetzes oder des Dekalogs, der Regel Benedikts
, der Regel Au-
gustins
oder anderer Regeln vorbringen, der tilgt die Verheißung Christi, verwirft
Christus und fällt aus der Gnade heraus. Das ist die Meinung des Paulus.
Sieh aber, allergütigster Herrscher und Kaiser Karl, seht ihr Fürsten, seht alle Stän-
de, wie groß die Schamlosigkeit der Gegner ist! Obwohl wir das Pauluswort zu dieser
Meinung zitiert haben, schreiben sie dazu: „Es sind gottlose Dinge, die hier gegen das
Mönchtum vorgebracht werden.
Was aber ist gewisser, als daß die Menschen
Sündenvergebung durch den Glauben um Christi willen erlangen? – Und dieses Wort
wagen diese Windbeutel „gottlos“ zu nennen! Wir zweifeln nicht im geringsten, daß
ihr, wenn ihr über diesen Punkt belehrt worden wäret, dafür gesorgt hättet, daß eine
so schlimme Gotteslästerung aus der Konfutation gestrichen wird.
Weil aber oben ausführlich gezeigt wurde, daß es gottlos ist zu meinen, wir würden
um unserer Werke willen Sündenvergebung erlangen, werden wir uns an dieser Stelle
kürzer fassen. Denn der verständige Leser wird hieraus leicht ableiten können, daß
wir Sündenvergebung nicht durch mönchische Werke verdienen. Daher ist auch unter
gar keinen Umständen jene Gotteslästerung zu dulden, die man bei Thomas [384]
liest, das Mönchsgelübde sei der Taufe gleichwertig
Es ist Wahnsinn, eine
menschliche Tradition, die weder ein Gebot Gottes noch eine Verheißung hat, einer
Stiftung Christi gleichzustellen, die Gottes Gebot und Verheißung hat und den Bund
der Gnade und des ewigen Lebens enthält.
[Der wahre Charakter mönchischen Lebens: eine ethisch neutrale, nicht „verdienst-
liche“ Lebensform]
174
Zweitens: Gehorsam, Armut und Zölibat sind, sofern sie nicht unrein sind, [ethisch]
neutrale Übungen.
Deshalb können sich die Heiligen ihrer ohne Gottlosigkeit be-
dienen, so wie es Bernhard, Franziskus und andere heilige Männer getan haben. Und
diese haben sie wegen des leiblichen Nutzens in Anspruch genommen, um freier zu
sein zum Lehren und zu anderen frommen Aufgaben, nicht weil die Werke an sich
Gottesdienste wären, die rechtfertigen oder das ewige Leben verdienen. Ferner sind
sie von jener Art, von der Paulus sagt: „Die leibliche Übung ist bisweilen nütz-
lich“ (1. Tim 4, 8). Und es ist glaubhaft, daß es auch jetzt noch irgendwo in den Klö-
stern gute Männer gibt, die dem Dienst am Wort nachgehen, die jene Satzungen ohne
209 Die Regel des Benedikt von Nursia (1. Hälfte des 6. Jahrhunderts). Sie war die Grundlage des abendländischen
Mönchtums.
210 Die aus einem Schreiben des Augustinus an die Nonnen von Hippo abgeleitete Grundregel für das Gemein-
schaftsleben der Weltgeistlichen (die sogenannte „vita canonica“).
211 Konfutation, 6: Über Klostergelübde.
212 Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Teil 2, 2, Frage 189, Art. 3.
213 Im Text steht das griechische Wort adiaphora (= „Mitteldinge“).