Die Bekenntnisschriften - page 251

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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gottlose Meinungen befolgen. Aber zu meinen, jene Regeln seien Gottesdienste,
[CR 632] um derentwillen wir vor Gott für gerecht erklärt werden und durch die wir
das ewige Leben verdienen – das widerstreitet dem Evangelium von der Glaubensge-
rechtigkeit, welches lehrt, daß uns um Christi willen Gerechtigkeit und ewiges Leben
geschenkt werden. Es widerspricht auch dem Christuswort: „Sie dienen mir vergeb-
lich mit Menschensatzungen“ (Mt 15, 9). Es widerstreitet auch diesem Wort: „Was
nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde“ (Röm 14, 23). Wie aber können sie
dann behaupten, es seien Gottesdienste, die Gott vor sich selbst als Gerechtigkeit
gelten läßt, obwohl sie kein Zeugnis des Wortes Gottes haben?
Aber seht doch die Schamlosigkeit der Gegner! Sie lehren nicht nur, [385] daß jene
Übungen Gottesdienste sind, die rechtfertigen, sondern fügen [auch noch] hinzu, sie
seien vollkommenere Gottesdienste, d. h. solche, die die Sündenvergebung und die
Rechtfertigung eher verdienten als andere Lebensformen. Und hier kommen viele
falsche und verderbliche Meinungen zusammen. Sie geben vor, die Gebote und die
Räte
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einzuhalten. Dann verkaufen freigiebige Menschen, weil sie sich einbilden,
überzählige Verdienste zu haben, diese an andere Menschen. Das alles ist voller
pharisäischer Eitelkeit. Denn es ist äußerste Gottlosigkeit zu meinen, den Zehn Gebo-
ten in solchem Maße Genüge zu tun, daß [sogar noch] Verdienste übrig sind, obwohl
diese Gebote alle Heiligen anklagen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, liebhaben
von ganzem Herzen!“ (5. Mose 6, 5). Ebenso: „Du sollst nicht begehren!“ (Röm 7, 7).
Der Prophet sagt: „Jeder Mensch ist ein Lügner“ (Ps 116, 11), d. h. jemand, der nicht
recht von Gott denkt, Gott nicht genug fürchtet, nicht genug glaubt. Daher rühmen
sich die Mönche zu Unrecht, durch die Einhaltung der mönchischen Lebensform
genüge man den Geboten und tue mehr, als die Gebote verlangen.
[386] Ferner ist es auch falsch, daß die mönchischen Übungen Werke der Ratschlä-
ge des Evangeliums sein sollen. Denn das Evangelium rät nicht das Unterscheiden
von Gewändern, von Speisen, den Verzicht auf Eigentum. Das sind menschliche
Überlieferungen, von denen zu allen gesagt ist: „Speise macht uns Gott nicht ange-
nehm“ (1. Kor 8, 8). Daher sind das weder rechtfertigende Kulte noch auch die
Vollkommenheit. Im Gegenteil: Wenn man sie mit diesen Titeln herausgeputzt
vorlegt, sind es reine Teufelslehren (1. Tim 4, 1).
Ehelosigkeit wird empfohlen – aber [nur] denen, die die Gabe haben, wie oben ge-
sagt wurde.
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Es ist aber ein höchst verderblicher Irrtum zu meinen, daß die evange-
lische Vollkommenheit in menschlichen Überlieferungen besteht. Denn dann könnten
sich auch die Mönche der Mohammedaner rühmen, die evangelische Vollkommen-
heit zu haben. Auch besteht sie nicht in der Beachtung von anderem, was man
„Mitteldinge“ nennt. Sondern weil das Reich Gottes Gerechtigkeit und Leben in den
Herzen ist (Röm 14, 17), deshalb besteht die Vollkommenheit im Wachsen der Furcht
Gottes, des Vertrauens [CR 633] auf die in Christus verheißene Barmherzigkeit und
der Sorge, der Berufung gehorsam zu sein, so wie auch Paulus die Vollkommenheit
214 Auf „evangelische Räte“, d. h. Jesusworte wie Mt 19, 12.21, beziehen sich die Mönchsgelübde Armut, Ehelo-
sigkeit und Gehorsam.
215 S. o. Nr. 152.
1...,241,242,243,244,245,246,247,248,249,250 252,253,254,255,256,257,258,259,260,261,...549
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