Der Große Katechismus
112
Warum? Deshalb, weil die Person edler und besser ist. Man muß hier nicht die Person
nach den Werken, sondern die Werke nach der Person beurteilen, durch die sie ge-
adelt werden. Aber hier kommt die tolle Vernunft dazwischen, und weil es nicht so
glänzt wie die Werke, die wir tun, so soll es nichts gelten.
209
Aus diesem lerne nun die richtige Bedeutung erfassen und antworten auf die Frage,
was die Taufe ist: nämlich daß sie nicht nur einfaches Wasser ist, sondern ein Was-
ser, in Gottes Wort und Gebot eingefaßt und dadurch geheiligt, so daß es nichts ande-
res ist als ein Gotteswasser; nicht weil das Wasser an sich edler als anderes Wasser
wäre, sondern weil Gottes Wort und Gebot dazukommt. Darum ist es ein reines Bu-
benstück und teuflischer Spott, daß jetzt unsere neuen Geiste
, um die Taufe zu
lästern, Gottes Wort und Ordnung davon weglassen und nichts anderes ansehen als
das Wasser, das man aus dem Brunnen schöpft, und daraufhin daherplärren: „Wie soll
eine Handvoll Wasser der Seele helfen?“ Ja, Lieber, wer weiß das nicht, wenn es ums
Unterscheiden geht, daß Wasser Wasser ist? Wie wagst du es aber, so in Gottes Ord-
nung einzugreifen und das beste Kleinod davon wegzureißen, womit es Gott ver-
bunden und eingefaßt hat und das er davon nicht getrennt haben will? Denn das ist
der Kern in dem Wasser: Gottes Wort oder Gebot und Gottes Namen. Dieser Schatz
ist größer und edler als Himmel und Erde.
210
Also erfasse nun den Unterschied, daß Taufwasser eine ganz andere Sache ist als alle
anderen Wasser, nicht der natürlichen Beschaffenheit wegen, sondern weil hier etwas
Edleres dazukommt. Denn Gott selbst setzt seine Ehre daran und legt seine Kraft und
Macht hinein. Darum ist es nicht nur ein natürliches Wasser, sondern ein göttliches,
himmlisches, heiliges und seliges Wasser und wie man es sonst noch loben kann,
alles wegen des Wortes, welches ein himmlisches, heiliges Wort ist, das niemand
genug preisen kann, denn es hat und vermag alles, was Gott eigen ist. Daher hat es
auch das Wesen, daß es ein Sakrament heißt, wie auch Sankt Augustinus gelehrt hat:
„Accedat verbum ad elementum et fit sacramentum
, das heißt: „Wenn das Wort
zum Element oder dem natürlichen Sein einer Sache tritt, dann wird ein Sakrament
daraus“, das heißt ein heiliges, göttliches Ding und Zeichen.
Darum lehren wir allezeit, daß man die Sakramente und alle äußerlichen Sachen,
die Gott ordnet und einsetzt, nicht nach der groben, äußerlichen Erscheinung ansehen
darf, so wie man die Schale der Nuß sieht, sondern danach, wie Gottes Wort mit ein-
geschlossen ist. Ebenso reden wir auch von Vater- und Mutterstand und weltlicher
Obrigkeit: Wenn man sie sehen will, wie sie Nasen, Augen, Haut und Haar, Fleisch
und Knochen haben, so sehen sie aus wie Türken und Heiden, und es könnte auch
jemand kommen und sprechen: „Warum sollte ich mehr von diesem halten als von
andern?“ Weil aber das Gebot dazu tritt: „Du sollst Vater und Mutter ehren“, so sehe
ich einen anderen Mann, geschmückt und angezogen mit der Majestät und Herrlich-
keit Gottes. Das Gebot (sage ich) ist die goldene Kette, die er am Hals trägt, ja die
Krone auf seinem Haupt, die mir anzeigt, wie und warum man dieses Fleisch und Blut
93 Die „Schwarmgeister“, Spiritualisten.
94 Augustinus, Abhandlung zum Johannesevangelium, Kap. 80, 3.