Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
133
kann, verkündet das Evangelium, das eigentlich nichts anderes ist als die Verheißung
der Sündenvergebung und der Rechtfertigung um Christi willen, die Gerechtigkeit des
Glaubens an Christus. Das Gesetz lehrt diese Gerechtigkeit nicht; sie ist auch keine
Gesetzesgerechtigkeit. Denn das Gesetz fordert von uns Werke und Vollkom-
menheit. Die Verheißung aber bietet uns, wenn wir von Sünde und Tod schier
erdrückt werden, umsonst die Versöhnung um Christi willen an. Die aber wird nicht
durch Werke, sondern allein durch den Glauben empfangen. Dieser Glaube kommt
nicht im Vertrauen auf eigene Verdienste zu Gott, sondern allein im Vertrauen auf die
Verheißung oder die in Christus versprochene Barmherzigkeit. Dieser besondere
Glaube
also, mit dem ein jeder glaubt, daß ihm selbst die Sünden um Christi willen
vergeben werden und daß Gott um Christi willen versöhnt und gnädig ist, erlangt die
Vergebung der Sünden und rechtfertigt uns. Und weil er in der Buße, d. h. in den
Schrecken des Gewissens, die Herzen tröstet und aufrichtet, [169] erneuert er uns
auch
und bringt den Heiligen Geist, so daß wir dann das Gesetz Gottes erfüllen kön-
nen: nämlich Gott lieben, Gott wirklich fürchten, wirklich glauben, daß Gott [uns]
erhört, Gott gehorsam sein in allen Anfechtungen. [Dieser Glaube] tötet die [böse]
Begierde usw. Der Glaube, der die Sündenvergebung umsonst empfängt, weil er dem
Zorn Gottes den Mittler und Versöhner Christus entgegenhält, führt vor Gott also
nicht unsere Verdienste und unsere Liebe ins Feld. Dieser Glaube ist die wahre Er-
kenntnis Christi. Er nimmt die Wohltaten Christi in Gebrauch. Er erneuert die Herzen
und geht der Erfüllung des Gesetzes voraus. Von diesem Glauben aber wird in der
Lehre unserer Gegner mit keinem Wort gesprochen. Deshalb werfen wir den Gegnern
vor, daß sie nur die Gesetzesgerechtigkeit lehren. Sie lehren nicht die Gerechtigkeit
des Evangeliums, das die Gerechtigkeit des Glaubens an Christus verkündigt.
Was ist „rechtfertigender Glaube“?
[Christusglaube: nicht nur historisches Wissen, sondern Empfangen der Rechtferti-
gungszusage]
26
Die Gegner wollen uns weismachen, der Glaube sei nur ein geschichtliches Wissen
von Christus. Und deshalb lehren sie, er könne auch im Zustand der Todsünde
[CR 436] fortbestehen. Sie reden also gar nicht von dem Glauben, von dem Paulus so
oft sagt, daß die Menschen durch ihn gerechtfertigt werden. Denn die, die vor Gott als
gerecht gelten, befinden sich ja gar nicht im Zustand der Todsünde. Aber der Glaube,
der uns rechtfertigt, ist nicht nur ein geschichtliches Wissen von Christus, sondern
eine Zustimmung zu der Verheißung Gottes, durch die uns umsonst, d. h. um Christi
willen, die Vergebung der Sünden und die Rechtfertigung angeboten werden. Und
damit niemand meint, er sei nur ein Wissen, fügen wir noch hinzu: [170] Der Glaube
besteht darin, die angebotene Sündenvergebung und Rechtfertigung zu wollen und zu
empfangen.
34 Melanchthon gebraucht hier den auch von Luther in diesem Sinne benutzten Ausdruck „fides specialis“.